Mittelstand und Digitalisierung: Wie passt das zusammen?

Die Digitalisierung ist in vollem Gange. Dieser Fakt ist Politik und Wirtschaft gleichermaßen bewusst, doch während es für den einzelnen Verbraucher fast nur Vorteile in der digitalen Welt gibt, stehen Unternehmen vor einer – vor allem auch finanziellen – Hürde. Ganz nebenbei gibt es auch branchenabhängige Unterschiede, wie mit dem Thema Digitalisierung umgegangen werden soll in Zukunft. Und auch die Politik bemüht sich, den deutschen Mittelständlern zukünftig optimale infrastrukturelle Gegebenheiten bereitzustellen – bislang jedoch mit mittelmäßigem Erfolg. Wo also steuern deutsche Mittelständler im digitalen Zeitalter hin?

Mittelstand und Digitalisierung: Wie passt das zusammen?

Nur zehn Prozent der deutschen Wirtschaft schöpft ihr vollstes Potential aus – zumindest was die digitalen Möglichkeiten anbelangt. Dies geht aus einer Studie des McKinsey Global Institute (MGI) hervor. Damit liegt die Bundesrepublik im europäischen Vergleich noch unter dem Durchschnitt von zwölf Prozent. In Großbritannien (17 Prozent) oder jenseits des Atlantiks, in den USA (18 Prozent), sind es noch viel mehr Unternehmen, die sich den Herausforderungen der Digitalisierung allem Anschein nach besser stellen als deutsche Unternehmer.

Dabei nimmt die digitale Wirtschaft in Deutschland gar keinen allzu kleinen Stellenwert ein. Immerhin 5,4 Prozent der gesamten deutschen Ökonomie zählt sich selbst zur Digitalwirtschaft. Diese Zahl wiederum liegt leicht über dem EU-Schnitt von 5,0 Prozent. Besonders hervorzuheben ist hierbei, dass in Deutschland circa 85 Prozent aller 16- bis 74-Jährigen regelmäßig im World Wide Web unterwegs ist. Das sind zehn Prozentpunkte mehr als der Durchschnitt im europäischen Binnenraum.

Infografik mit Zahlen zur deutschen Digitalisierung
Deutsche Digitalisierung in Zahlen. Grafikquelle: Zukunftsforum-Deutschland.de

Doch eine zentrale Frage bleibt: Wie reagiert der deutsche Mittelstand auf die Digitalisierung? Denn mittelständische Unternehmen sind für circa 30 Prozent des gesamtwirtschaftlichen Umsatzes verantwortlich und beschäftigen 18 Prozent der gesamtdeutschen arbeitstätigen Bevölkerung. Und klar ist, dass die Digitalisierung zukünftig für wirtschaftlichen Erfolg essentiell sein wird, sowohl im B2C- wie auch im B2B-Segment. Doch während beispielsweise die finanziellen Unterstützungen für Gründer in Deutschland besser kaum sein könnten, gestaltet sich die digitale Transformation gerade für etablierte Wirtschaftsakteure mit traditionellen Wurzeln, also den Mittelstand, gar nicht so einfach.

Digitalisierung mehr als nur ein IT-Phänomen

Eine der wohl größten Herausforderungen für die Funktionsträger aus Politik und Wirtschaft wird es zukünftig sein, mittelständische Unternehmer überhaupt davon zu überzeugen, dass die Transformation von analog zu digital in der gesamten Arbeitswelt kein reines IT-Phänomen ist bzw. ein reines Mittel, um die Produktionszahlen zu optimieren. Vergessen wird nämlich oftmals, dass mit dem Wandel zur digitalen Unternehmenskultur auch der Grundstein gelegt wird, um international konkurrenzfähig zu bleiben.

Ein weiteres Problem ist, dass viele Geschäftsführer und Manager gar nicht die Expertise sowie das Know-how mitbringen, die digitale Transformation ihres Unternehmens effizient umzusetzen. Somit wiederum werden wichtige Wertschöpfungspotentiale missachtet. Die anfangs angesprochene MGI-Studie ergab nämlich ebenfalls, dass das deutsche Wirtschaftswachstum bei steter Digitalisierung bis 2025 um stolze 0,3 Prozentpunkte jährlich anwachsen könnte. In greifbaren Zahlen hieße dies aktuell, dass 126 Mrd. Euro auf dem Spiel stehen.

Um eben jene Chance nicht zu verschlafen, tagte erst kürzlich wieder einer der größten Events rund um das Thema Digitalisierung des Mittelstandes: Auf der NKF Summit 2017 wurden ähnlich wie bereits im letzten Jahr sehr erfolgreiche Modelle vorgestellt, wie etablierte Unternehmen zusammen mit jungen Start-ups zusammenarbeiten und gemeinsam den Weg in die digitale Welt antreten können.

Auf der Expertenkonferenz mit über 40 Sprechern, darunter Maximilian Viessmann, CEO der Viessmann Group, oder auch Sebastian Schwartze, Head of Audi Denkwerkstatt, wurde in einer Art Crashkurs aufgezeigt, welche Strategien es braucht, um junge Tech-Firmen mit traditionellen deutschen Mittelständlern zusammenzubringen. Was bei dieser Synthese herauskommen könnte und wie wichtig die digitale Komponente auch für etablierte Wirtschaftsakteure aus allen Branchen ist, bestätigt auch Olaf Koch von der Metro Group:

Prioritäten setzen und Prozesse optimieren

Im etwas weiteren Blickfeld ist es aber nicht Deutschland alleine, wo die Digitalisierung bislang zwar nicht stillsteht, im Vergleich zu anderen außereuropäischen Wirtschaftsstandorten wie New York oder San Francisco aber hinterherhinkt. Denn auch viele europäische Wirtschaftsmetropolregionen um Berlin oder London, Paris oder Stockholm sind noch nicht auf dem digitalen Level angekommen, der für internationale Konkurrenzfähigkeit eigentlich vonnöten ist. Dies zeigt beispielsweise auch ein Blick auf die – nach Marktkapitalisierung – größten Internetunternehmen der Welt:

  1. Apple
  2. Google / Alphabet
  3. Amazon
  4. Facebook
  5. Tencent

Vier US-amerikanische und ein chinesisches Unternehmen sind unter den ersten fünf Plätzen vorzufinden, von Europa keine Spur. Zugegeben sind dies nicht diejenigen Unternehmen, mit denen sich der deutsche Mittelstand messen möchte, es zeigt jedoch, dass es anderswo auf der Welt allem Anschein nach bessere Voraussetzungen gibt, um die Digitalisierung für sich zu nutzen als in Europa oder gar in Deutschland. Die MGI-Studie sieht vor allem drei Notwendigkeiten, von denen auch der Mittelstand lernen kann, um dies zukünftig zu ändern:

  1. Unternehmen sollen Prioritäten setzen und gezielt prüfen, welche Geschäftsmodelle sich tatsächlich durch Digitalisierungsprozesse optimieren lassen. Insbesondere in der internen Kommunikation wie auch beim Umgang mit Kunden liegen ungenutzte Potentiale brach.
  1. Nicht nur Geschäftsführer und Entscheidungsträger, sondern auch Arbeitnehmer müssen sich – auch eigenständig – an die neuen Herausforderungen ihrer Arbeitswelt anpassen und sich um Möglichkeiten zur Qualifikation und Weiterbildung bemühen.

Drittens, und das wird in der Studie auch explizit erwähnt, müssen auch Behörden, Regierungen und somit natürlich auch die Länder und der Bund für die infrastrukturellen Voraussetzungen sorgen, damit die Digitalisierung effektiv fortschreiten kann. „Ein Muss für Digitalisierung und Industrie 4.0 ist, den Breitbandausbau voranzutreiben und den digitalen europäischen Binnenmarkt zu verwirklichen“, meint der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Dieter Kempf.

Doch genau hier hapert es derzeit. Beim Breitbandausbau liegt Deutschland gegenüber anderen Standorten in Europa weit zurück, als digitaler Standort weist die Bundesrepublik somit erhebliche Schwächen auf. Da wundert es dann auch nicht, wenn auch Unternehmer digitalen Technologien nur wenige Chancen einräumen.